22 Nov Quo vadis – Homo sapiens
Die Evolution steht nicht still. Wir Menschen entwickeln uns weiter, mit digitalen Daten und Algorithmen so schnell − wie nie zuvor. Die Wissenschaft wird (will) uns gottähnlich machen — oder den heutigen Menschen zerstören.
Beinahe vierhundert Seiten lang blicken wir mit Yuval Harari neugierig in die Zukunft, in die Zukunft. Angeregt vom Titel „HOMO DEUS“. Meint er wirklich, dass aus Homo ein Deus wird (werden kann), dass jeder Mensch göttliche Fähigkeiten bekommt?
Der israelische Historiker hat schon im Buch „Sapiens“ durchaus unterhaltsam die „Kurze Geschichte der Menschheit“ dargelegt. Jetzt schreibt er „Eine Geschichte von morgen“ − nicht mehr so unterhaltsam −, mit Überlegungen von der künstlichen Intelligenz bis zum ewigen Leben.
Harari stellt den freien Willen des Menschen infrage, bezweifelt den Wert des Individuums für die Zukunft und stellt uns Menschen als Organismus dar, die automa-tisch (roboterähnlich) ihren inneren Algorithmen folgen und nur noch als Teil einer riesigen Ansammlung von Daten einen Sinn machen.
Homo Datenproduzent
Das soll das Ergebnis von 200.000 Jahren Menschheitsgeschichte sein? Wo doch der Homo sapiens soviel gelernt hat:
Feuer richtig einsetzen, sich vernetzen, in Gruppen zu agieren, Lebensmittel herzustellen, Krankheiten zu besiegen, den Weltraum zu erobern? Da sollen wir plötzlich nur mehr Datenproduzenten und Algorithmen-Verwerter sein? In Abhängigkeit von einigen wenigen Supermenschen leben? Sklaven des 22., 23, ………., Jahrhunderts? Harari formuliert aber auch drei Thesen, die er dann allerdings selbst sofort hinterfragt.
► Die Wissenschaft wächst zu einem allumfassenden Dogma zusammen, wonach Organismen nur Algorithmen sind und das Leben die Verarbeitung von Daten ist.
► Intelligenz koppelt sich vom Bewusstsein ab.
► Nicht bewusste, aber hochintelligente Algorithmen werden uns bald besser kennen als wir.
„Homo Horror“
Denkt man diese Punkte durch, kann nur ein schreckliches Bild entstehen: Ein Wesen, das zwar noch wie ein Mensch aussieht, dazu hochintelligent ist, – aber ohne Willen, ohne Gefühle, und vor allem ohne Werte und Überzeugung — , nur seinem inneren von Algorithmen gesteuerten Zwang folgt.
Aber dann gibt uns der Autor ganz geschickt noch drei Fragen, die uns hoffentlich, wie er schreibt, „noch lange im Kopf bleiben werden“:
► 1. Sind Organismen wirklich nur Algorithmen, und ist das Leben wirklich nur Datenverarbeitung?
► 2. Was ist werfvoller? Bewusstsein oder Intelligenz?
► 3. Was wird aus der Gesellschaft, der Politik, dem täglichen Leben, wenn unbewusste, aber hochintelligente Algorithmen uns besser kennen als wir uns selbst?
Das ist noch keine Hilfe, aber ein Hinweis auf einen möglichen Ausweg, wie wir bei allen gegenwärtigen und zukünftigen technischen Revolutionen Menschen bleiben können. Das heißt aber auch, dass wir uns mit diesen drei Fragen sehr intensiv beschäftigen werden müssen.
Homo sapiens?
Die menschliche Evolution wurde ja von Ereignissen beeinflusst, auf die unsere Vorfahren keinen Einfluss hatten, wie Klima- und Umweltveränderungen oder unerklärliche spontane Genmutationen. Das ist die eine Seite. Anderseits heißen wir aber HOMO SAPIENS, weil immer wieder weise, kluge Entscheidungen getroffen wurden — geplant und bewusst.
Trotzdem: Eines ist heute anders. Die Eingriffe in die Evolution, die hat es auch früher — etwa durch die medizinischen Fortschritte — gegeben hat, sind mit der heutigen Digitalisierung und Datensammlung radikaler und folgenschwerer. Deren Missbrauch ist es erste recht! Dessen sind wir uns noch nicht ausreichend bewusst.
Homo erectus
Die Evolution geht seit dem Urknall vor mehr als 13 Milliarden Jahren voran. Vor rund drei Millionen Jahren haben unsere Vorfahren beschlossen, sich aufzurichten — der Homo erectus. Von dem es Funde gibt, die beinahe 1,9 Millionen Jahre zurückliegen. Er war uns schon recht ähnlich, bald unbehaart und mit Werkzeug jagend unterwegs. Die nächsten Verwandten, die Neandertaler, starben vor ca. 25.000 Jahren aus. Da die menschliche DANN kleine Teile von Neandertalern (Fluchtinstinkt) aufweist, gab es Verbindungen mit dieser Art. Am Ende aber, hat nur der Homo sapiens überlebt. Und dieser hat sich, wie es so schön in der Bibel heißt, „die Erde untertan gemacht“ und ist dabei auch den Weltraum zu erobern.
Aber warum gerade der Homo sapiens? Warum waren wir erfolgreicher, als die anderen Arten? Was haben wir besser gemacht? Die Gründe müssen vielfältig sein. Wahrscheinlich werden die Archäologen irgendwann die Antwort finden. Vor rund siebzigtausend Jahren entwickelten die Menschen — vielleicht durch eine spontane Genmutation — eine Sprache, die es ihnen möglich machte, sich abzusprechen und vorausblickend zu planen. Das gab ihnen die Fähigkeit, sich in Gruppen zu organisieren, gemeinsame Ziele zu entwickeln und mit abstrakten Begriffen umzugehen. Innerhalb sehr kurzer Zeit kam dadurch der Mensch an die Spitze der Nahrungsmittelkette. Harari vertritt die These, dass der Mensch diese schnelle Entwicklung nicht gut verarbeitet hat. Andere Tierarten wie Löwe oder Haie hätten sich „über Jahr-millionen hochgebissen“, beim Menschen ging das so schnell, dass wir noch heute ständig Angst haben, diese Spitzenstellung wieder zu verlieren. Des halb würden wir uns anderen gegenüber oft bösartig und brutal verhalten.
„Homo superhuman“
Aber tun wir wirklich, was wir wollen. Folgen wir unseren freien Willen — oder sind wir willenlose Objekte, fest im Griff unserer Gene und eines Algorithmus, den die Evolution „schon“ festgelegt hat? Harari zweifelt am freien Willen des Menschen — das taten die Philosophen aber auch schon früher. Aber angesichts der technischen Möglichkeiten gäbe es in der Zukunft — radikale Konsequenzen. Folgende Entwicklungen sieht der Historiker Harari für unser Jahrhundert:
► 1. Menschen werden ihre ökonomische und militärische Nützlichkeit verlieren. Folgerichtig wird das wirtschaftliche und politische System keinen großen Wert haben.
► 2. Das System wird im Kollektiv der Menschen noch einen Wert finden — aber nicht mehr beim „Einzelnen“ (Individuum).
► 3. Das System wird doch noch einen gewissen Wert in einzelnen Individuen finden, aber das wird eine neue Elite von Supermenschen sein — nicht aber die Masse der Bevölkerung.
Humus habilis
Eine wichtige Entwicklung in der menschlichen Evolution war der Homo habilis. Der Mensch lernte, Werkzeuge zu verwenden, ökonomisch zu arbeite, kreativ zu sein. Wir dagegen, müssen ständig Untersuchungen, Prognosen lesen, wie viele bisher notwendige Tätigkeiten und damit Arbeitsplätze in den kommenden Jahren wegfallen können. Die menschenleere Fabrik wird „stolz“ präsentiert, Lagerhallen — wo nur mehr Roboter tätig sind. Autos, Autobusse, Lastkraftwagen und Flugobjekte. Werden sich ohne menschliches Eingreifen bewegen.
Im Krankenhaus teilen niedliche Roboter das Essen und die Medikamente aus und vergeben eingeplante Streicheleinheiten. Der Arzt kommt nur, wenn der Nano-Computer im Blut eines Patienten ein Problem meldet. In den Restaurants kochen die Computer und Roboter. Für die Verteilung der gewünschten Speisen braucht niemand einen Kellner. Die Forschungslabors arbeiten automatisch — bestens mit der übrigen Welt vernetzt.
Das alles ist nicht Science Fiction, das ist REALITÄT oder im Testlauf — und lässt sich beliebig fortsetzen. Hin und wieder wird aber im abendlichen TV ein Kurz-Spot über solche Errungenschaften gezeigt — und wir sind noch stolz über den Erfolg. Oder ist das nur als Werbung, Vorbereitung … gedacht?
Aber was macht man mit uns? Keiner braucht uns mehr? Und wozu wird am ewigen Leben geforscht, wenn es nichts mehr zu tun gibt? Sicherlich, das Leben ist mehr als nur Arbeit. Aber im Unterschied zu früheren Veränderungen geht alles — heute — so verdammt schnell. Die Erkenntnis, dass die Erde eine Kugel ist, konnte noch langsam einsickern, die Konsequenzen waren minimal.
Die Dampfmaschine hat die Produktion revolutioniert und Arbeitsplätze gekostet aber auch neue geschaffen. Der Otto-Motor hat anfangs nur wenige bewegt. Heute? Aber seit das Internet zum Massenmedium und das „Handy“ zum Massen-Kommunikations-Mittel wurden, ist gerade ein Viertel-Jahrhundert vergangen. Und die Digitalisierung beeinflusst heute schon fast Lebensbereich — weltweit. Einzelne Menschen werden versuchen — Gott zu spielen — andere mit der Entwicklung nicht mehr mitkommen.
Werden dann Menschenrechte noch für alle gelten, was hält uns da noch zusammen? Religionen haben die Menschen geführt, oft verführt, aber auch Sicherheit gegeben. In aufgeklärten Gesellschaften konnte man dagegen wehren. Wenn die neue Religion die Sammlung der Daten sein wird, dann werden wir einen ganz unbarmherzigen Gott kennen lernen. Wir Menschen müssen unser Schicksal schnell bestimmen, um es nicht den Datengötter zu überlassen.
P.S.: Eine neue aktuelle Studie gibt nur Archäologen gute Berufschancen. Alte Knochen ausgraben und richtig einordnen, das kann nur die menschliche Hand in Verbindung mit einem geschulten Gehirn noch immer besser.